Elena Schulte im Interview

Mutter-Liebe - Mamasein mit Grenzen und Gnade

„Wer bin ich noch?“, fragen sich viele Mütter zwischen Windeln und Wäschebergen. „Putzfrau oder Dienstmädchen?“ „Du bist!“, sagt Elena Schulte. „Und das ist kein unvollständiger Satz. Du darfst einfach sein. Egal, ob das zu deinen Rollen passt oder regelkonform ist.“

Mutter-Liebe - Mamasein mit Grenzen und Gnade
Elena Schulte
Die 29-Jährige will Frauen ermutigen, sich nicht über Rollen zu definieren und stattdessen das Leben mehr zu genießen. Als Moderatorin sprach Elena Schulte vor 20.000 Menschen. Heute ist sie von Herzen Mama von Madita (2) und Linus (10 Monate) und konzentriert sich ganz auf das Abenteuer „Muttersein“. Dabei erlebt sie mehr als eine Zerreißprobe. Wie Grenzen zu Chancen werden. Und Liebe hält, was sie verspricht.

Liebe Elena, Sie sind ganz schön beschäftigt: Mama von zwei kleinen Kindern, Ehefrau, Rednerin, Autorin … Wie behalten Sie da den Überblick und vor allem: die Nerven!?

Das frage ich mich auch manchmal! (lacht). Ich liebe es, Mama zu sein. Aber ich stoße immer wieder an Grenzen: Ich-will-nicht-mehr-Grenzen. Ich-kann-nicht-mehr-Grenzen. Als Mama bekommt das Leben ein neues Tempo: Im Terminkalender steht zwar nix mehr drin. Aber er ist trotzdem proppenvoll – und das mit vielem, was sich nicht planen lässt! Und nebenbei wäre ich auch gern eine vorbildliche Freundin, eine beispiellose Ehefrau und ein tadelloses Kind Gottes …

Da nehmen Sie sich allerhand vor! Wie gehen Sie mit Ihren Grenzen um?

Am liebsten würde ich sie annehmen und über sie lachen können. Das gelingt mir viel zu selten, was schade ist. Denn Grenzen bergen auch die Chance, Beziehungen zu leben und zu gestalten.

Hätten mich wirklich alle lieb, wenn ich unfehlbar und makellos wäre? Haben Männer nicht vielleicht sogar Angst vor perfekten und starken Frauen, die sich nie an ihre Schulter anlehnen? Wie tröstlich ist dagegen ein offenes Gespräch mit meinem Mann. Wie gut tut es, wenn er mich einfach

in den Arm nimmt, nachdem wir uns Fehler eingestanden haben. Oder: Wie stark verbindet es mich mit einer Freundin, wenn ich höre, dass sie an ähnlichen Baustellen steht. Außerdem bringen mich meine Grenzen Gott näher: Ich kann ihm meine leeren Hände reichen. Er ist nicht begrenzt, sondern allmächtig. Er nimmt mich an mit meinen Grenzen und ist mir gnädig. Ich brauche nicht länger einem Idealbild hinterherzujagen, dem ich ohnehin nie entsprechen werde. Seine Liebe schenkt mir Frieden.

Und es gelingt Ihnen, diesen Frieden im Alltag – zwischen Windeln und Wäschetürmen – zu schützen und zu bewahren?

Das wäre schön! Nein, das muss ich mir jeden Tag neu erkämpfen oder besser: schenken lassen. Was mich an Gott fasziniert, ist seine Kreativität, mir immer wieder zu begegnen – sogar mitten im Chaos. Denn oft finde ich den Weg zu ihm nicht mitten im Stress und Frust. Doch er findet mich! Er schafft es, mir immer wieder zuzuflüstern: „Ich bin größer. Mein Land ist weiter! Du fühlst dich vielleicht gefangen, aber bei mir kannst du aufatmen! Du bist so viel mehr als Putzfrau, Dienstmädchen und Köchin. Du bist mein geliebtes Kind.“

Gott sagt: „Lehn dich zurück. Entspann dich. Vertrau mir. Ich mache das schon!“ Aber ich vertraue ihm nicht und kämpfe gegen ihn an. Er hat wirklich viel Geduld mit mir!



Sie sind zweifache Mama – inwiefern hat das Ihr Bild von Gott neu geprägt?

Ich erahne noch viel mehr, was es für ihn bedeutet haben muss, seinen Sohn Jesus an einem Kreuz sterben zu sehen. Selbst wenn es nur um mich gegangen wäre, wäre ihm dieser Preis nicht zu hoch gewesen – nur um mich zu retten und mit mir zusammen zu sein! Außerdem gibt’s viele Momente, in denen ich schmunzeln muss und denke: ‚Ich glaube, Gott kennt das auch mit mir.‘ Meine Tochter

zum Beispiel hasst Haarewaschen. Sie vertraut mir nicht genug, um sich ganz in meinen Arm reinzulegen. Deshalb läuft ihr das Wasser übers Gesicht. Ich kann mit Engelszungen auf sie einreden: „Leg’ dich in meinen Arm. Vertrau mir doch!“ Aber sie macht es nicht. Dann denke ich: ‚Wie oft kämpfe ich mit Gott, wo es so einfach sein könnte?‘ Gott sagt: „Lehn dich zurück. Entspann dich. Vertrau mir. Ich mache das schon!“ Aber ich vertraue ihm nicht und kämpfe gegen ihn an. Er hat wirklich viel Geduld mit mir!

|r Viele Mütter von Kleinkindern fühlen sich weniger wert, besonders, wenn sie vorher berufstätig waren. Sie fragen sich: Wer bin ich denn noch?

Ja, wer bin ich? Bei mir lautet die lauteste Antwort jetzt oft: „Mama – mit Haut und Haaren!“ Aber ich glaube, Gott möchte nicht, dass wir uns über eine Rolle definieren – weder als Single, noch Berufstätige, Ehefrau oder Mutter. Denn dann kann uns der Boden leicht unter den Füßen wegbrechen. Was ist, wenn ich meine Arbeit oder eine Beziehung verliere?

Gott sagt deshalb schlicht: „Du bist! Keine Rolle, keine menschliche Beziehung muss das näher beschreiben, keine Tätigkeit dein Wesen detaillierter festlegen. Du bist! Und das ist kein unvollständiger Satz. Du darfst einfach sein. Egal, ob das zu deinen Rollen passt oder regelkonform ist. Du darfst leben. Ich will dich frei machen von auferlegten Zwängen. Ich bin, der ich bin. Und weil ich dein Gott bin, liegt deine eigentliche Identität in meinem Wesen. Gemeinsam sind wir.“

In unserer Gesellschaft geht es aber oft um Leistung, an der wir unseren Wert festmachen. Da sagt kaum einer: „Ich bin!“, sondern: „Ich bin, was ich leiste."

Das stimmt. Leider löst das auch oft eine Art Konkurrenzkampf unter Müttern aus. Das merke ich, wenn ich zusammen mit Müttern auf dem Spielplatz sitze. Es wird gepiekt, geschossen, verachtet und unterstellt. Die eingefleischte Stillerin hat kein Verständnis für die Fläschchenmama. Die Übersteherin einer Spontangeburt ohne Betäubungsmittel fühlt sich der Mutter mit Kaiserschnitt überlegen ...

Wir leben in einer Leistungsgesellschaft und kennen den Druck, gut sein zu müssen. Aber Mütter werden nun mal nicht „Mitarbeiter des Monats“! Es fällt keinem auf, was wir tun, nach dem Motto: „Das bisschen Haushalt macht sich doch von allein!“ Deswegen gibt es oft ein Machtgerangel unter Müttern. Wir sehnen uns nach Anerkennung und Wertschätzung. Aber jede ist so mit sich beschäftigt, dass sie versäumt, andere zu loben. Wir preisen unseren Weg an und suchen „Nachfolger“, um uns zu bestätigen: Unser Weg ist erfolgreich! Und je besser wir die Konkurrenz ausschalten, desto höher unsere Chancen, auf das „Beste-Mutter-der-Nation-Treppchen“ zu steigen. Doch eigentlich sind die meisten jungen Mütter extrem unsicher. Schließlich gibt es keinen „Führerschein“, um Mutter zu werden, nur unzählige Tipps und 1000 Entscheidungen ...

Meine Kinder brauchen mich. Meine Liebe. Meine Aufmerksamkeit. Meine Stimme. Meinen Humor. Mein Herz. Beim Muttersein geht es nicht um Perfektion.
Es geht um Liebe, Hingabe, Annahme. 



Haben Sie als junge Mutter auch Angst, etwas falsch zu machen?

Ich bin recht entspannt. Aber klar habe ich Schwächen und mache Fehler. Vielleicht muss mein Kind später einiges mit einem Seelsorger aufarbeiten. Da will ich mich nicht rausreden. Aber wenn ich mich heute deshalb verrückt mache, wird es nicht besser. Manchmal beschleicht mich trotzdem der Gedanke: ‚Andere könnten das viel besser.‘ Aber das ist eine Lüge. Ich bin nicht austauschbar.

Gott vertraut uns Müttern das riesige Vorrecht an, unsere Kinder zu prägen und sie auf ihrem Lebensweg zu begleiten. Er wusste, dass ich nicht perfekt bin. Aber das hat ihn nicht davon abgehalten, mir diesen Schatz anzuvertrauen. Meine Kinder brauchen mich. Meine Liebe. Meine Aufmerksamkeit. Meine Stimme. Meinen Humor. Mein Herz. Beim Muttersein geht es nicht um Perfektion. Es geht um Liebe, Hingabe, Annahme. Um Wachsen und Lernen. Ich bin genau die Richtige für meine Kinder. Gott hat uns füreinander ausgesucht.

Wie finden Sie sich im Dschungel der Tipps zurecht?

Manchmal kann man sich vor lauter Tipps kaum retten (lacht): Stoffwindeln oder Pampers? Familienbett oder eigenes Zimmer? Schreien lassen oder in den Schlaf wiegen? Was hilft gegen Schnupfen bei Babys? Natürlich sauge ich alle Tipps auf. Mir müssen nicht alle Fehler noch mal passieren. Doch manche Ratgeberbücher widersprechen einander – und erst recht viele Meinungen im Internet! Dann drehe ich mich wie ein Fähnchen im Wind, bis ich merke: Oft gibt es kein Richtig und Falsch, sondern nur ein Entweder-Oder. Dann sage ich: „Danke für den Rat. Aber jetzt gehe ich meinen Weg!“

Da lassen Sie sich also kein schlechtes Gewissen machen von „Übermüttern“?

Das versuche ich zumindest. Neulich habe ich gelesen: Das Leben ist zum Leben da. Stimmt! Ich will entspannter werden und Momente genießen. Ich bin auch ein Struktur- und Leistungsmensch, aber ich merke: Bei meinen Kindern ist perfekt etwas ganz anderes. Die wollen lieber Fischstäbchen essen und dann gemeinsam etwas lesen, als einen aufwändigen Braten serviert zu bekommen.

Das Leben ist zum Leben da – klingt gut! Wie kann eine eingespannte Frau wirklich entspannen?

Das ist tatsächlich schwer. Mir hat eine Freundin geraten: Lerne, auf den Punkt zu entspannen. Ich kann keine lange Vorlaufzeit mehr haben. Wenn es beim Mittagessen gerade schön ist, dann genieße ich den Moment. Außerdem lerne ich, die Welt mit den Augen meiner Tochter zu sehen, wenn wir spazieren gehen. Ich nehme mir keine lange Strecke vor, die wir schaffen müssen. Stattdessen laufe ich langsam, atme durch und staune mit ihr: Wie schön die Blätter sind! Und wie viele Käfer dort krabbeln! Das wäre mir fast entgangen! Zudem bin ich froh, dass mein Mann es mir öfter ermöglicht, mal eine Freundin zu besuchen. Ich lerne, dieses Angebot einfach anzunehmen.

Toll, dass Ihr Mann Sie unterstützt. Finden Sie auch Zeit zu zweit?

Das ist eine Herausforderung. Mein Mann arbeitet viel. Wenn wir beide abends total müde sind und eigentlich tiefgehend reden wollten, versuchen wir, nicht frustriert zu sein. Dann liegen wir einfach gemeinsam auf der Couch. Im Hier und Jetzt. Den Anspruch zu haben, abends zwei Stunden intensiv über schwerwiegende Themen zu reden, ist der Tod im Topf.

Leider lassen sich immer mehr Paare scheiden, auch wenn schon Kinder da sind. Was passiert in der Ehe während der Kleinkindphase?

Diese Zeit stellt das Eheversprechen wirklich auf die Probe! In dieser Lebens-phase werden aus leidenschaftlich liebenden Ehepartnern eher eingespielte Teamkollegen und schlimmstenfalls ausgebrannte Aneinander-Rumnörgler. Ich liebe meinen Mann und bin dankbar, dass ich ihn habe. Aber es ist nicht immer einfach. Dann erinnere ich mich an das, was uns ein weiser Rat-geber vor unserer Hochzeit gesagt hat: „Ihr müsst euch einander täglich neu schenken und immer wieder von Herzen fragen: Wie kann ich dich heute glücklich machen? Und nicht umgekehrt.“

Das Interview führte Ines Weber für die Zeitschrift Lydia 2/2011.

Auszug verwendet mit freundlicher Genehmigung.© 2011, Lydia Verlag in der Gerth Medien GmbH, Asslar

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