Allison Pittman im Interview

„Christen und Mormonen werden oft in einen Topf geworfen“

Camilla sehnt sich nach Freiheit und Geborgenheit. Deswegen brennt die 15-Jährige mit dem Mann ihrer Träume durch. Noch ahnt sie nicht, auf welches Wagnis sich die junge Frau wirklich eingelassen hat ... So beginnt die historische Romanreihe mit dem ersten Band „Für Zeit und Ewigkeit“. Erfahren Sie mehr über die Hintergründe von der Autorin Allison Pittman.

„Christen und Mormonen werden oft in einen Topf geworfen“
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihren Roman Für Zeit und Ewigkeit zu schreiben?

Ich wusste, dass ich eine Liebesgeschichte schreiben wollte, aber keine romantisch verklärte Geschichte über Verliebtheit. Die Figur des Nathan war in meiner Vorstellung eigentlich schon da und auch fertig konzipiert – ein zutiefst leidenschaftlicher, verletzter, charismatischer, charmanter Mann. Und weil ich selbst in Utah aufgewachsen bin, wusste ich, dass der christliche Glaube in der frühen Geschichte dieses Bundesstaates so gut wie keine Rolle gespielt hat, also brauchte ich Camilla als Frauenfigur, die verführt wird, sowohl ihre Familie als auch ihren Gott zu verlassen. Ich wollte, dass Nathan und Camilla einander so sehr lieben, wie sie beide auch jeweils ihren Gott lieben.
 
Sie wissen offenbar sehr viel über den Glauben der Mormonen und auch über deren Gemeinschaftsleben. Wie haben Sie für diese Geschichte recherchiert?

Ich habe als Kind in Utah gelebt, und mein Mann war früher Mormone, bis er auf der Highschool erkannt hat, dass Jesus Christus sein Erlöser ist. Also hatte ich einen großen Fundus von Geschichten und Anekdoten, auf den ich zurückgreifen konnte. Um aber ein richtiges Gefühl für diese Geschichte zu bekommen, habe ich eine Weile in Salt Lake City verbracht. Das dortige Pioneer Women’s Museum (Museum der Pioniersfrauen) ist ein Schatz an Ausstellungsstücken, all die kleinen Haushaltsgegenstände, die damals das Leben einer Frau ausmachten. Was mir aber wirklich aufgefallen ist – und das ist mir von vielen anderen Christen bestätigt worden –, ist die Atmosphäre auf dem Temple Square in Salt Lake City. Die Stadt ist wunderschön und unglaublich gepflegt, aber die dortige Atmosphäre hat etwas Bedrückendes. Es ist still, aber nicht heiter. Irgendetwas an dem gewaltigen weißen Tempel mit dem goldenen Engel auf der Spitze wirkt beunruhigend.

Ich habe auch viel im Internet recherchiert, mir unterschiedliche Websites und Foren angeschaut und auch Beiträge von ehemaligen Mormonen gelesen. Ich verstehe dadurch jetzt besser, wieso Menschen in dieser Sekte bleiben und warum sie gehen. All die Geschichten von Verbitterung und Verrat sind wirklich erschütternd, besonders auch wenn deutlich wird, dass so viele Menschen, die sich vom Mormonentum abwenden, damit auch gleichzeitig Gott und jede Form von Glauben über Bord werfen. Ich wollte dieses Gefühl verzweifelter Bedürftigkeit an der Figur des Nathan verdeutlichen. Es gibt so viele anonyme Menschen, die mir sehr dabei geholfen haben, sowohl Nathans Leidenschaft und Eifer in Bezug auf den Mormonenglauben als auch Rachels Geringschätzung dafür darzustellen, die bei ihr immer nur unter der Oberfläche spürbar ist.
 

Camillas Vater ist seiner Tochter gegenüber oft grob und lieblos. Was hat Sie dazu inspiriert, diese Vater-Tochter-Beziehung so darzustellen?

Als Erstes möchte ich dazu sagen, dass er keinerlei Ähnlichkeit mit meinem eigenen liebevollen Vater hat! Ich wollte, dass Arlen Deardon in der Geschichte auf zwei unterschiedlichen Ebenen agiert. Einmal als Camillas Vater, wo er grob und lieblos auftreten kann, aber das, was er tut, um seine Tochter zu schützen, so fehlgeleitet es auch sein mag, ist von Liebe motiviert. Man kann gar nicht hoch genug bewerten, wie wichtig die Vater-Tochter-Beziehung im Hinblick auf die spätere Partnerwahl eines Mädchens ist. Ich bin sicher, Camillas Entscheidung am Anlegesteg wäre anders ausgefallen, wenn die Beziehung zu ihrem Vater von Anfang an liebevoll und innig gewesen wäre. Es genügte einfach nicht, dass er sie wirklich liebte, ihr das aber nie in irgendeiner Form zeigte.

Aber Arlen Deardon steht auch für das, wovon ich glaube, dass es für die großen Erfolge und das schnelle Wachstum der Mormonensekte in deren Anfangsphase verantwortlich ist. Man muss bedenken, dass die ersten Konvertiten (genau wie die heutigen) Menschen waren, die auf der Suche nach einer bedeutsamen Beziehung zu Gott waren. Die Christen hielten es für notwendig – und das natürlich zu Recht –, die Wahrheit des Evangeliums angesichts solcher Irrlehren zu schützen, aber genau wie Camillas Vater brachten sie dieses Anliegen leider viel zu oft unter Anwendung von Gewalt zum Ausdruck.

Damit will ich keineswegs sagen, dass das „Mormonenproblem“ von Seiten der Kirche falsch angepackt wurde, die als geschlossene Einheit handelte. Aber denken Sie einmal über Folgendes nach: Wenn Sie auf der Suche nach der Wahrheit sind und eine Gruppe sagt Ihnen, dass Gott Sie liebt und dass Sie genau so sein können wie Jesus, und eine andere Gruppe schießt auf die erste und brennt deren Unterkünfte und Trecks nieder – auf wessen Seite würden Sie dann stehen? Die Mormonen betrachten sich zu Recht in dieser ersten Zeit als Opfer, und es gibt nichts, das einen Glauben mehr stärkt, als die gemeinsame Erfahrung, verfolgt zu werden. Man schaue sich nur noch einmal die Gemeinschaften der ersten Christen an.

Ich wollte die Geschichte einer Frau erzählen, die zu Jesus zurückfindet.



Am Ende wird Camilla gezwungen, ihre Kinder zurückzulassen, und wir erleben mit, wie sie sich in einem Schneesturm verirrt. Weshalb haben Sie sich für dieses Ende entschieden?

Ich habe bei diesem Projekt immer gesagt, dass ich nicht den gesamten Mormonenglauben abhandeln will; ich wollte die Geschichte einer Frau erzählen, die zu Jesus zurückfindet. Die Entscheidung, die Camilla trifft, ist eine unmittelbare Folge ihrer Erkenntnis, dass sie sich ganz und gar von den Mormonen lösen muss, um ihren Glauben an Jesus Christus leben und ihm vertrauen zu können. Selbst Jesus hat ja seinen Anhänger aufgefordert, ihre Familien und ihren Besitz zu verlassen und nicht zurückzublicken.

Camillas Geschichte ist ja noch längst nicht vorbei, aber ich wollte sie so zu Ende gehen lassen, wie ich sie begonnen habe: In der ersten Szene ist sie ja im Grunde auch allein und bemüht sich darum zu verstehen, was Gott von uns Menschen erwartet. Am Ende ist sie zwar physisch allein, aber geistlich viel stärker. Sie weiß, worauf sie ihr Vertrauen setzen soll.

Was ihre Kinder angeht – ich möchte die Leser inständig bitten zu begreifen, dass Camillas Geschichte in einer längst vergangenen Zeit spielt, die uns nicht vertraut ist. Es gibt gesellschaftliche und historische Aspekte, die ihre Entscheidung für die damalige Zeit und den Ort, an dem die Geschickte spielt, akzeptabel machen. Die körperliche Unversehrtheit ihrer Kinder ist ihre oberste Priorität, und das kann wohl jede Mutter verstehen. Ihr stehen weder die Alternativen noch die Unterstützung zur Verfügung, auf die Frauen heute zurückgreifen können, wenn sie in einer schlechten Ehe festsitzen. Was sich allerdings nicht geändert hat, ist die Tatsache, dass sie einen Herrn hat. Weil sie geistlich geheilt ist, kann sie seinen Eingebungen trauen, auch wenn es allem widersprechen mag, was logisch erscheint.

|r Heutzutage gleichen sich Mormonen bewusst evangelikalen Christen an. Welche Ähnlichkeiten im Glauben ermöglichen das? An welchen entscheidenden Punkten unterscheidet sich ihr Glaube vom Christentum der Bibel?

Die Mormonen glauben, dass Jesus der Sohn Gottes ist, dass er am Kreuz für unsere Sünden gestorben und nach drei Tagen wieder auferstanden ist. Sie lieben und bewundern Jesus. Sie beten in seinem Namen. Sie sehen Jesus als Erlöser an. Aber sie erkennen nicht an, dass der Tod und die Auferstehung Jesu alles ist, was wir brauchen, um mit Gott versöhnt zu sein. Für Mormonen genügt das nicht, und die wahre Errettung hängt nicht nur vom Glauben an den Tod und die Auferstehung Jesu ab, wie es in den Evangelien dargestellt wird, sondern auch von der Anerkennung und dem Glauben der Schriften von Joseph Smith und den Praktiken der Kirche der Mormonen.

Gott fordert uns nicht zur Toleranz gegenüber falschen Lehren auf.



In der Geschichte wird das große Misstrauen zwischen den Mormonen und der christlichen Gemeinde beschrieben. Glauben Sie, dass ein solches Misstrauen auch heute noch vorhanden ist oder gehen wir toleranter miteinander um?

Ich glaube, dass wir leider toleranter geworden sind. Vielleicht klingt es merkwürdig, hier leider zu sagen, aber Gott fordert uns nicht zur Toleranz gegenüber falschen Lehren auf. Die Mormonen haben von Anfang an die Feindseligkeit, die ihnen von christlichen Nachbarn entgegengebracht wurde, für ihre Zwecke eingesetzt und sie benutzt, um den eigenen Status der Erwähltheit hervorzuheben, von dem sie ja ausgehen. Indem aber eine starke „Wir-“ und „Die-Mentalität“ kultiviert wird, konnten die Mormonen die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Mitglieder und Anhänger aufrechterhalten.

Ich glaube, dass sich in den vergangenen 40 Jahren die öffentliche Wahrnehmung evangelikaler Christen verschoben hat. Die Medien neigen dazu, Mormonen und Christen in einen Topf zu werfen, und aus taktischen Gründen lassen die Mormonen das in der Öffentlichkeit ganz gern so stehen. Als ich mit dem Auto durch Utah fuhr und in meinem Mietwagen nach einem Radiosender suchte, stieß ich auf einen, auf dem gerade ein Song der christliche Band „Casting Crowns“ gespielt wurde. Direkt danach folgte jedoch ein Song, in dem es darum ging, dass Gott uns das Geschenk einer ewigen Familie macht. Die Mormonen verwenden – und haben das schon immer getan – das gleiche Vokabular, aber da wir in einer Welt leben, in der man mit Informationen überfüttert wird, besteht die Gefahr, die riesigen theologischen Unterschiede untergehen.
 
Was hoffen Sie, dass die Leser aus dem Roman mitnehmen?

Erstens möchte ich, dass die Leser erkennen, dass viele Mormonen innerlich leere und verletzte Menschen sind, auch wenn es vielleicht anders aussieht. Als ich versucht habe, mich in das Denken von Mormonen hineinzuversetzen, habe ich oft Internetforen besucht, in denen sich Menschen austauschen, die die Mormonengemeinschaft verlassen haben, und da war so viel Traurigkeit und Bitterkeit. Ich glaube, dass die meisten Christen auf zweierlei Weise auf Mormonen zugehen: entweder sie vermeiden jede Gelegenheit, Zeugnis zu geben, weil das normalerweise vergeblich ist, oder ihnen gefällt die Vorstellung, mit ihnen zu diskutieren. Dabei sollen wir sie einfach nur lieb haben.

Zweitens müssen wir so stark und tief in der Wahrheit verwurzelt sein, dass wir jede Abweichung vom Evangelium sofort erkennen, so unterschwellig, unauffällig und gut getarnt sie auch daherkommt. Das Mormonentum und das Christentum verwenden weitgehend das gleiche Vokabular und die Unterschiede im theologischen Text können ganz unbedeutend erscheinen. Wir müssen daher besonders wachsam sein, wenn uns Schriften und Predigten ganz offen ein „neues“ Verständnis der Bibel vermitteln wollen.
 
© Gerth Medien GmbH 2012

 
 
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