Elisabeth Büchle im Interview

„Gedanklich habe ich den Titanic-Untergang miterlebt.“

Sie fasziniert seit Generationen die Menschen: Die Titanic, die bei ihrer Jungfernfahrt auf dramatische Weise sank. Elisabeth Büchle entführt ihre Leser mit ihrem neuen Roman an Bord des wohl bekanntesten Luxusliners. In unserem Interview gibt sie Einblicke in die Hintergründe ihres brandneuen Buches.

„Gedanklich habe ich den Titanic-Untergang miterlebt.“
Bestseller-Autorin Elisabeth Büchle
Sie haben ein Buch vor dem Hintergrund des Titanic-Untergangs geschrieben. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an das kürzlich gesunkene Kreuzfahrtschiff Costa Concordia denken?

Als ich die Nachricht von dem Unglück hörte, war ich sehr erschrocken und tief betroffen angesichts der Tragödien, die sich auf dem Schiff abgespielt haben müssen. Beim Schreiben des Buches hatte ich mich ja gedanklich auf die Titanic begeben und den Untergang miterlebt. Aus diesem Grund fühle ich tief mit den Überlebenden und auch mit den Angehörigen der Opfer mit. Es macht mich traurig, dass wir 100 Jahre nach dem bekanntesten Schiffsunglück anscheinend immer noch nicht gelernt haben, dass größer-höher-schneller-spektakulärer nicht zwingend „gut“ ist.

Was fasziniert Sie am Stoff des Titanic-Untergangs, dass er Sie dazu animierte, einen kompletten Roman zu schreiben?

Über ein dramatisches Geschehen zu schreiben – mit dem Hintergrundwissen über das, was damals „falsch“ lief – und die Romanprotagonisten trotzdem genau diese Fehler machen zu lassen, birgt für mich als Autorin einen großen Reiz. Hinzu kommt natürlich die ganze Mythenbildung um den Untergang der Titanic, der ich aber – so hoffe ich – in keiner Szene erlegen bin. Dieser Ehrgeiz war beim Schreiben groß!

Woher die Faszination „Titanic“ bei mir tatsächlich stammt, darüber rätsle ich allerdings selbst. Ich weiß um eine Zeichnung, die ich vermutlich in der 2. Klasse anfertigen musste: ein Wrack. Auf diesem kaputten Schiff zwischen Seetang und bunten Fischen steht, schön eingedeutscht: Britanik. Woher ich als damals Siebenjährige wissen konnte, dass die Titanic ein Schwesternschiff mit dem Namen Britannic hatte? Keine Ahnung!

Hand aufs Herz: Wie oft musste Ihr Mann den Oscar-prämierten Titanic-Film mit Leonardo diCaprio mit Ihnen ansehen?

Jetzt muss ich erst mal lachen! Ganz ehrlich: nur einmal! Als der Film damals in die Kinos kam, waren mein Mann und ich in Stuttgart im Kino. Ihm behagte der Film nicht, war er doch nicht darauf eingestellt, wie er sich ausdrückte, „den Menschen knapp zwei Stunden lang beim Sterben zusehen zu müssen“. Deshalb musste ich den Film anschließend, zwei-, dreimal ohne ihn anschauen, da der Regisseur James Cameron ja sehr auf Detailtreue achtete und ich so auch farbige und nicht nur schwarzweiße Bilder über das Schiff ansehen konnte!

Wie sind Sie bei Ihren Recherchen vorgegangen?

In der Hauptsache habe ich Sachbücher gelesen und im Internet recherchiert – um das, was ich dort las, nochmals über Bücher abzusichern, denn über die Titanic kursieren im Internet herrlich fantasievolle Geschichten. Ausgesprochen hilfreich waren natürlich die Berichte Überlebender. Die Bücher von Lawrence Beesley (2. Klasse) und Colonel Archibald Gracie mit John B. Thayer (1. Klasse) waren sehr wertvoll für mich. Übrigens findet man Sachbücher über die Titanic sogar für Kinder – manche davon richtig gut gemacht und informativ!

Sie haben einen spannenden historischen Bezug zu einer Firma in Freiburg als Grundidee für den Roman genommen: die Firma Welte, die im 20. Jahrhundert selbstspielende Pianos herstellte. Wie sind Sie darauf gestoßen?

Der Gedanke, einen Roman über die Titanic zu schreiben, geisterte schon lange in meinem Kopf herum, doch mir fehlte einfach die zündende Grundidee. Denn es war mein Bestreben, den Roman völlig anders aufzuziehen, als es vor mir und mit mir andere gemacht haben. Als ich einmal wieder das Suchwort Titanic eingab „stolperte“ ich über die Geschichte des Einbaus einer pneumatischen Welte-Orgel in der Titanic und Britannic. (Mehr Informationen dazu gibt es im Vorwort des Romans, und ich erzähle darüber gerne auch bei Lesungen.) Und damit war die Idee geboren, die Geschichte in Freiburg, im Schwarzwald, beginnen zu lassen und statt der ewigen 1. Klasse / 3. Klasse-Story vor allem die Hafenarbeiter in Belfast, die Besatzung der Titanic und die oft etwas vernachlässigte 2. Klasse - im wahrsten Sinne des Wortes - mit ins Boot zu nehmen.

Ich denke, dass in Frauen oftmals mehr steckt, als sie es sich selbst zutrauen.



Mit Norah haben Sie dem braven Richard einen temperamentvollen Wirbelwind als weibliche Protagonistin gegenübergestellt. Auch in Ihren anderen erfolgreichen Romanen sind die Frauen starke Persönlichkeiten. Was fasziniert Sie an starken Frauen?

Das „schwache“ Geschlecht ist stark! Was allein schon die Tatsache beweist, dass wir Frauen länger als Männer brauchen, bis wir erfroren sind, – wobei das natürlich jetzt makaber klingt, im Hinblick auf die Titanic aber nicht am Thema vorbeigeht. Ich denke aber nicht, dass meine Frauen in den Romanen immer nur einfach stark sind. Ihr Glaube macht sie stark, macht sie bereit, vieles zu erdulden, ihren „Mann“ zu stehen und zu kämpfen. Ich denke, dass in Frauen oftmals mehr steckt, als sie es sich selbst zutrauen. Dies möchte ich mithilfe meiner Romanfiguren ein bisschen aus ihnen herauskitzeln, denn die Erfahrung zeigt wohl, dass wir das leider oft erst sehr spät – und manchmal erst in besonders schrecklichen Notsituationen - wirklich realisieren. Dies wird besonders in zweien meiner Romane deutlich, in "Sehnsucht nach der fernen Heimat“ (zur Zeit vergriffen) und Goldsommer.

Gleichgültig, wie wir leben, können wir unserem Leben einen Sinn geben und unser Lebensziel erreichen.



Ihre Erzählung lebt von starken Kontrasten. Einerseits das Luxusschiff Titanic. Andererseits das Elend der irischen Arbeiterfamilien. Warum war es Ihnen wichtig, diesen Kontrast so detailliert darzustellen?

In Der Klang des Pianos geht es thematisch darum, welchen Sinn unser Leben haben soll, worin unser Lebensglück und –ziel besteht. Der Kontrast wirkt auf den ersten Blick natürlich extrem, doch er soll im Grunde nur aufzeigen, dass wir, ganz gleichgültig, ob wir nun steinreich oder arm sind, schlank oder mollig, extrovertiert oder eher scheu, glückliche Momente erleben können. Gleichgültig, wie wir leben, können wir unserem Leben einen Sinn geben und unser Lebensziel erreichen.

Kindesentführung, Prostitution, Armut, Gewalt – und eine rührende Lovestory. Ihre Geschichte ist so unglaublich spannend, dass man das Buch kaum zur Seite legen kann. Wie kommen Sie auf diese Ideen?

Ich muss sagen, dass das Leben leider (was die ersten Punkte der Aufzählung angeht) und zum Glück (beim letzten Punkt) diese Ideen vorgibt. Wir leben in einer Welt, in der schlimme und schöne Dinge geschehen. Und obwohl meine Fantasie enorm ausgeprägt ist und ich spielend Fantasiewelten erschaffen kann, möchte ich in meinen Büchern doch nicht den Bezug zur Realität verlieren. Das Leben jedes einzelnen Menschen ist angefüllt mit den unterschiedlichsten Geschichten, und ich hoffe immer, dass ich mit meinen Romanen bei dem einen oder anderen Leser genau in seine Lebenssituation hineinsprechen kann, bei ihm etwas Hilfreiches bewegen kann.

Hier geht’s zur Leseprobe von Der Klang des Pianos

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