Susan Pohlman im Interview

„Unser Jahr in Italien war die Chance, unsere Ehe zu retten.“

Susan Pohlman und ihr Mann Tim standen kurz vor der Scheidung. Aber anstatt getrennte Wege zu gehen, haben sie eine ziemlich verrückte Idee umgesetzt: Sie gaben ihr vollgepacktes Leben in Kalifornien auf, um für ein Jahr in Italien zu leben. Welche Schwierigkeiten die Familie auf dem Weg nach Italien meisterte und wie sich ihr Leben veränderte, davon berichtet Susan Pohlman in unserem Interview.

„Unser Jahr in Italien war die Chance, unsere Ehe zu retten.“
Susan Pohlman
Was lief in Ihrem Leben und in Ihrer Ehe schief, bevor Sie nach Italien gegangen sind?

Mein Mann und ich waren damals seit über 18 Jahren verheiratet und lebten das typische Leben von Amerikanern. Wir haben zwei wunderbare Kinder, Katie (15 Jahre alt) und Matthew (11 Jahre alt), viele Freunde und ein tolles Haus. Von außen betrachtet schien es so, als ob wir ein traumhaftes Leben führten. Aber innerlich fühlten wir uns einander fremd und hatten keine Verbindung mehr zueinander.

Irgendwann erreichten wir dann einen Tiefpunkt, an dem wir nicht mehr miteinander reden konnten oder auch wollten. Der Stress unsers Alltags mit den niemals enden wollenden Aufgaben und Verpflichtungen hatte uns irgendwann so im Griff, dass wir zwar unter einem Dach, aber aneinander vorbei lebten. Die Intimität hatte sich schon lange aus unserer Ehe verabschiedet, ohne dass wir das überhaupt wahrgenommen hatten, genauso wie auch die Wertschätzung und Anerkennung. Aber es musste ja irgendwie weitergehen.

Ich dachte, ich hätte keine andere Wahl, als die Scheidung einzureichen.



Irgendwann waren wir es leid, immer nur zu analysieren, was gerade schief lief. Wir waren gemeinsam einsam, und nichts von dem, was wir versuchten, hatte irgendwelche positiven Auswirkungen auf unser Leben. Als dieses Gefühl des Unglücklichseins mich langsam krank machte, war ich gezwungen, die Situation entweder in den Griff zu kriegen oder sie zum Guten zu verändern. Damals dachte ich, ich hätte keine andere Wahl, als die Scheidung einzureichen, was mir, ehrlich gesagt, das Herz brach.

Was hat Sie dann bewogen, für ein Jahr nach Italien zu gehen, anstatt die Scheidung einzureichen?

Das ist gar nicht so einfach zu erklären, also bitte haben Sie Verständnis ... Als wir auf dieser schicksalshaften Geschäftsreise in Italien waren, ging es gar nicht darum, Vorbereitungen für ein Italien-Jahr zu treffen. Wir waren vorher noch nie in Italien gewesen und betrachteten das Ganze bloß als eine geschäftliche Verpflichtung, bei der wir das eine oder andere schöne Abendessen genießen und wir die eine oder andere Flasche Wein trinken würde. Meine Einstellung zu diesen Dingen veränderte sich erst, als meine Füße die antiken Kopfsteinpflasterstraßen von Florenz betraten.

In Florenz hat mich die allgegenwärtige Schönheit tief berührt. Plötzlich war Florenz mehr als nur eine Stadt mit jeder Menge Kunst und Geschichte. Was ich nicht wusste, war, dass sich auch bei Tim etwas veränderte. Keiner von uns konnte es in Worte fassen, wir spürten nur, dass etwas anders war. Tim äußerte schließlich den Wunsch, dort leben zu wollen. Obwohl dieser Traum uns damals schier unglaublich vorkam, wollten wir doch versuchen, ihn zu verwirklichen.

Das Ganze war völlig verrückt und unvorstellbar. Aber seit Jahren hatte ich mich nicht mehr so gut gefühlt.



Innerhalb von 48 Stunden fanden wir eine Schule für die Kinder und unterzeichneten einen Mietvertrag für eine möblierte Wohnung mit einem traumhaften Blick aufs Meer. Das Ganze war völlig verrückt und unvorstellbar. Aber seit Jahren hatte ich mich nicht mehr so gut gefühlt. Es war ein schmaler Grat zwischen Abenteuer und Katastrophe, aber wir sind dieses Abenteuer mit allen Risiken eingegangen.

Ich wusste, wenn ich Nein gesagt hätte und nach Hause geflohen wäre, wäre es das Ende für unsere Familie gewesen. Ich musste mich entscheiden: heile Familie oder zerbrochene? Welche Werte sind uns wirklich wichtig, und haben wir den Mut, für diese Werte zu kämpfen? Wollen wir an unserem hart erarbeiteten Lebensstil festhalten oder wollen wir das seelische Wohlbefinden unserer Familie an die erste Stelle setzen? Habe ich genug Glauben, um loszulassen und Gott zu vertrauen?

Im Alter von 44 Jahren wurde mir klar, dass ich an einem Wendepunkt meines Lebens stand. Tim und ich haben uns wieder aufeinander eingelassen. Das war die Chance, unsere Ehe zu retten. Und sie war den Versuch wert.

Unser italienisches Jahr

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Es steht nicht gut um die Ehe von Tim und Susan Pohlman. Scheidung – das scheint der letzte ...

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Wie haben eure Kinder Katie und Matthew reagiert?

Wie Sie sich vorstellen können, waren beide absolut geschockt. Glücklicherweise haben sie sich nach einigen Tagen mit der Idee angefreundet, als Familie dieses Abenteuer zu wagen, und wir wurden wieder ein Team. Es war nicht immer einfach und sie hatten bereits bei der Ankunft in Genua Anpassungsschwierigkeiten. Andererseits haben wir unglaublich viel gelacht, weil wir in der neuen Kultur so viele humorvolle Erlebnisse hatten.

Katie und Matthew haben ein Leben ohne Familienkutsche und mit sehr wenigen technischen Spielereien kennengelernt. Das hatte wie erwartet lautstarken Protest und Ärger zur Folge. Aber wir erlebten auch, wie beide immer selbstständiger und emotional reifer wurden. Sie haben sich auch als Geschwister wieder miteinander beschäftigt, um gemeinsam auf einem anderen Kontinent klarzukommen.


Wie lange hat es von der Idee bis zum Umzug nach Italien gedauert?


Tim kündigte seinen Job, als wir von der Geschäftsreise zurück waren. Wir verkauften unser Haus und unsere Wertsachen, um den Trip zu finanzieren, und waren acht Wochen später an Bord des Flugzeugs nach Italien.

Italien beflügelt die Sinne!



Waren die ersten Tage im neuen Domizil schwierig für Sie?

Ich denke, es ist immer schwierig, in einer kritischen Phase die nächsten Schritte zu gehen. In unserem Leben hat sich ja alles radikal verändert. Und wir ahnten, dass es eine Zeit der Eingewöhnung geben würde, die nicht einfach werden würde. Wir haben unsere Erwartungen zurückgeschraubt und alles auf uns zukommen lassen, sodass wir die Gelassenheit hatten, Herausforderungen zu meistern.

Italien beflügelt die Sinne, und die italienische Lebensart fördert die Familie in einer Weise, die sehr heilsam für uns war. In Italien schließen alle Geschäfte am Nachmittag für drei Stunden, damit man zu Hause mit der Familie essen und Zeit miteinander verbringen kann. Die Italiener bummeln gemeinsam am frühen Abend und am Sonntagnachmittag durch die Stadt (la passeggiata), und was man heute nicht schafft, wird einfach am nächsten Tag erledigt. Das Essen ist köstlich und die Menschen strahlen Wärme und Herzlichkeit aus. All diese Dinge ermöglichten uns, ein paar Gänge zurückzuschalten und jeden Moment zu genießen, füreinander da zu sein.

Gab es einen Wendepunkt in Ihrer Ehe?

Eine Ehe verändert sich in vielen kleinen Momenten. Wir waren seit über 25 Jahren ein Paar und haben viel miteinander erlebt. Aber nach einiger Zeit fanden wir heraus, dass unter der Oberfläche der vielen Jahre immer noch die gleichen Menschen in uns schlummerten, die sich damals auf dem College ineinander verliebt hatten.

Aus der amerikanischen Kultur herauszutreten half uns dabei, herauszufinden, wer wir wirklich sind. Auch wenn man sich die kulturellen Unterschiede eigentlich denken kann, ist es ganz anders, sie täglich miteinander zu erleben.

Wenn wir diesen radikalen Schritt nicht gegangen wären, glaube ich nicht, dass wir uns bewusst geworden wären, wie sehr unser Lebensstil zu einem langsamen Tod unserer Ehe führte. Dieses eine Jahr in Italien schenkte uns neue ungewöhnliche Momente der Gemeinschaft und des Lachens. Als Familie unsere Grenzen auszuloten hat uns fantastische Erfahrungen und jede Menge Veränderung beschert.

Was war der größte Unterschied verglichen mit Ihrem Leben vorher?

Die einfachste und umfassendste Veränderung war das Zur-Ruhe-Kommen oder in unserem Fall zum kompletten Stillstand zu kommen. Auf einmal war unser Tag nicht mehr mit Arbeit, Chorstunden, Haushalt, ehrenamtlichen Verpflichtungen und vielen anderen Kleinigkeiten angefüllt. Fragen wie „Was wollen wir heute zusammen machen?“ oder „Wollen wir zusammen diese kleine Bergdorf erkunden?“ waren plötzlich wichtig. Die neuen Freiräume in unserem Leben gaben uns die Möglichkeit, uns auf den anderen auszurichten.

Die Einfachheit bestimmte das Jahr: zum Markt gehen, Wäsche auf die Leine hängen, in den winzigen Gässchen eines Dorfs herumschlendern, den Sonnenuntergang über dem ligurischen Meer betrachten. Solche Dinge haben unseren Tag gefüllt. Keiner von uns hat sich dabei gelangweilt. Wir konnten seelisch auftanken und das ist das beste Heilmittel für eine Ehe.


Nichts zu besitzen, aber doch alles im Überfluss haben, war die Erfahrung, die uns bis dato gefehlt hatte.




Gibt es einen geistlichen Bezug in Ihrer Geschichte?

Ja, in diesem Jahr habe ich die verändernde Kraft der Hingabe entdeckt. Anstatt meine eigene Tagesordnung anzugehen, habe ich den Tag auf mich zukommen lassen und Erfahrungen und Freundschaften erlebt, die mir sonst nicht möglich gewesen wären. Mich selbst zurückzunehmen und auf Gott zu vertrauen, hat mein Leben auf vielfältige Weise verändert.

Das passiert, wenn ich nicht länger versuche, mein Leben selbst zu füllen, sondern Gott den Raum gebe, mich und mein Leben zum Guten zu verändern. Nichts zu besitzen, aber doch alles im Überfluss haben, war die Erfahrung, die uns bis dato gefehlt hatte. Wieder miteinander vor Gott treten war ein wichtiger Beitrag, um als Ehepartner wieder zueinander zu finden.

Möchten Sie Ihren deutschen Lesern etwas mit auf den Weg geben?

Erst einmal möchte ich Ihnen für Ihre Wärme und Ihre Gastfreundschaft danken. Wir sind bereits einige Male durch Deutschland gereist und haben wunderschöne Erinnerungen an dieses Land und an die deutsche Kultur. Die Romantische Straße hat einen festen Platz in unserem Herzen.

Außerdem hoffe ich, dass unsere persönliche Geschichte von verlorener und wiedergefundener Liebe Sie inspirieren wird. Am Ende einer Ehe angelegt zu sein kann der Beginn von etwas viel Schönerem und Größeren sein, wenn Sie aus der gewohnten Spur ausbrechen und Ihrer Ehe eine wirkliche Chance geben.

Ihre Erlebnisse hat Susan Pohlman in ihrer Biografie Unser italienisches Jahr beschrieben.
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